ESSAY-BRIEF

Essay-Brief  März 2019

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Mutter – Tochter – Beziehung

© Bernd Helge Fritsch

 

Folgendes Mail betreffend eine Mutter-Tochter-Beziehung habe ich bekommen:

 

Lieber Bernd,

Vielleicht erinnerst du dich, dass ich dich mal vor Jahren wegen meiner Mutter angesprochen habe. Es ging darum, dass ich sie wieder in Nürnberg besuchen, betreuen und ihr helfen wollte.

Doch es fällt mir schwer, da sie auch in ihrem hohen Alter nicht aufhört, mich ständig zu beschimpfen und zu kritisieren.

Meine Motivation sie weiterhin mit Liebe zu besuchen und alles für sie zu tun, was mir möglich ist, erklärte ich dir (und mir) mit meinem Bestreben nicht Böses mit Bösem zu beantworten. Und ich hatte natürlich die Hoffnung vielleicht mal Liebe oder wenigstens irgendein Interesse an mir zurück zu bekommen. So hielt ich es bis zuletzt.

Bei meinem letzten Anruf vor 2 Wochen kritisierte sie mich wieder hart und fand sehr unschöne Worte. Sie erklärte es sei der Herrgott, der ihr hilft mich zu erkennen und der ihre Ansichten über mich bestätigt.

Nun gibt es rein gar nichts Negatives, was ich gesagt, getan habe oder zu bereuen hätte. Es ist ihre Nichtliebe zu mir. Sie findet immer einen Anlass mich zu attackieren. Zuletzt hat sie mir einen bösen Brief geschrieben in dem sie all ihre Vorwürfe mir gegenüber wiederholte.

Nun rufe ich seitdem meine Mutter nicht mehr an. Sie hinterließ gestern eine Nachricht auf meinem Anruf-Beantworter. Sie meinte, ich hätte wohl ihren Brief übel genommen, aber das müsse ich nun mal so hinnehmen.

Meine Mutter wird im Juni 99. Sie ist relativ gesund und nicht dement. Doch ich habe es nun aufgegeben, auf irgendetwas von ihr zu hoffen.

Es fällt mir allerdings schwer, meine jahrzehntelange Art und Weise des Umgangs mit ihr zu ändern.

Nur Pflichtanrufe hin und wieder? Keine herzlichen Nachfragen und Interesse meinerseits? Dann könnte ich sie auch nicht zu ihrem Geburtstag besuchen...

Ich sträube mich innerlich, mein gewohntes Verhalten ihr gegenüber beizubehalten. Oder soll ich über ihr Verhalten aufgrund ihres Alters hinwegsehen?

Ich bitte dich um deinen Rat.

Herzliche Grüße von Helga

 

Mein Antwortschreiben zu einem Essaybrief formatiert:

 

Liebe Helga!

Deine Mutter bedeutet zweifellos eine starke Prüfung für dich! Sei dir dabei bewusst, dass alles Geschehen in unserem Universum untrennbar mit der Einheit von allem Sein verbunden ist. Daher ist alles vollkommen und es ist, wie es ist! Das Problem sind nur unsere rastlosen Gedanken mit ihren Bewertungen, Wünschen und Ängsten.

Zu deinem Trost: Ähnliche Mutter-Tochter-Probleme, wie du sie schilderst, sind keine Seltenheit.

Ego-Verhaltensmuster

Wie entstehen Eltern-Kind- und Kind-Eltern- Konflikte? Es sind die üblichen Ego-Denk-Muster, die sich in Sich-Sorgen-Machen, Nicht-Loslassen-Können, Sich-zu-wenig-Verstanden- und Geliebt-Fühlen, in Bemuttern, Besser-Wissen, Eifersucht, Rivalität, Macht-Streben und Verärgert-Sein äußern.

Oft wird uns schon in frühen Jahren die Pflicht zum „Braves-Kind-Sein“, die Sorge nicht geliebt zu werden und die Angst vor Sünde und Bestrafung eingeimpft. Die Reaktion besteht dann häufig darin sich selbst klein zu machen, sich selbst zu verurteilen und Schuldgefühle zu kultivieren oder umgekehrt zu rebellieren und Macht-Kämpfe zu provozieren.

Wenn Enttäuschung, Ärger und Wut von der Tochter immer wieder hinunter geschluckt werden, sorgt dies natürlich für ein entsprechendes Konflikt- und Spannungsverhältnis zwischen Mutter und Tochter.

In den meisten Fällen mangelt es sowohl seitens der dominanten, ständig unzufriedenen und kritischen Mutter als auch seitens der erduldenden Tochter an geistiger Präsenz. Beide lassen ihre Gedanken allzu oft unbeaufsichtigt um die vermeintlichen Probleme kreisen. Dass ihre Probleme eigentlich erst durch ihr eigenes Denken entstehen, ist ihnen nicht bewusst.

Gottgesteuert

So wie du deine Mutter schilderst, leben viele Menschen in einem Zustand hochgradiger Unbewusstheit. Sie denken, sprechen und handeln vorwiegend unreflektiert entsprechend ihren angeborenen oder ihnen angelernten Mustern. Solche Menschen, die oft von eigensüchtigen, unreflektierten, kritischen und aggressiven Gedanken beherrscht werden, kann man als „gottgesteuerte Wesen“, bezeichnen.

Das bedeutet nichts Abwertendes. Sie sind – wie alle Wesen – in ihrem Seelengrunde durch und durch das „Höchste“ (Gott). Doch sie sind weit davon entfernt, ihr eigenes göttliches „Sein“ und das Göttliche in ihren Mitmenschen wahrzunehmen und zu lieben.

„Gottgesteuerte Menschen“ sind in ihrer Denk-Welt eingeschlossen und kaum in der Lage sich selbst zu befreien. Dennoch haben auch sie Teil an der übergeordneten Vollkommenheit von allem Sein. Zudem dienen sie durch ihr „So-Sein“ – natürlich unbewusst – dem „Ganzen“, indem sie ihrer Umgebung einen Spiegel vorhalten, in welchem die eigene Unbewusstheit erkannt werden kann.

Auf diese Weise geben sie ihren Mitmenschen die Chance, selbst achtsamer und liebevoller zu werden. Solange wir uns über sie ärgern oder ihretwegen belastet und traurig sind, zeigt dies, dass wir selbst von Ego-Gedanken gesteuert werden.

Unsere Herausforderung besteht darin, höchst unbewusste Menschen zu verstehen. Sie einerseits liebevoll anzunehmen, doch andererseits nicht ihr Verhalten fortlaufend geduldig zu ertragen, sondern ihnen nötigenfalls auch aus dem Wege zu gehen. Je präsenter wir sind, je weniger wir mit negativen Emotionen auf das Verhalten anderer reagieren, desto besser geht es uns. Sodann wird es uns leicht fallen in Harmonie mit dem „Ganzen“ unsere Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln ohne uns dabei belastet zu fühlen.

Nicht-Identifikation

Sei dir bewusst, dass du dir selbst deine Mutter für diese Inkarnation ausgesucht hast. Doch identifiziere dich nicht mit deiner Mutter-Tochter-Beziehung! Aus einer höheren Warte betrachtet, bist du weder dein Körper noch die Tochter deiner Mutter. Erkenne wer du bist, erkenne dein Eins-Sein mit dem Höchsten, beende alles überflüssige Denken und alle Probleme lösen sich von selbst auf.

Bei einer harmonischen Entwicklung der Mutter-Tochter-Beziehung würde sich diese spätestens nach der Pubertät der Tochter in eine Frau-zu-Frau-Beziehung verwandeln, zu einer Beziehung, in der sich zwei Menschen in liebevoller Weise auf Augenhöhe begegnen.

Vermeide es aus der Mutter-Tochter-Beziehung etwas Besonders, ein Drama zu machen. „Liebe deine Nächsten wie dich selbst!“ Dieses Bibelwort beinhaltet die Einladung alle Menschen gleich zu respektieren, anzunehmen und zu lieben, egal ob es Verwandte oder Fremde sind. Dabei haben wir auch das Recht, uns vom anderen möglichst fern zu halten, soweit dieser uns anhaltend mit negativem Verhalten begegnet.

„Selbst“-Liebe statt sich aufopfern

Solchen Menschen, wie deiner Mutter, die sehr unbewusst sind und von zwanghaften Vorstellungen verfolgt werden, helfen wir am besten, wenn wir ihnen mit reiner, liebevoller Achtsamkeit begegnen und nicht auf ihr negatives Verhalten reagieren.

Gutes-Tun wollen kann leicht zu einer Zwangsvorstellung werden. Deshalb sollten wir uns nicht aus falsch verstandenem Mitgefühl und Hilfsbereitschaft aufopfern und dabei unsere eigenen Rechte und Bedürfnisse verletzen. Jedenfalls tust du deiner Mutter nichts Gutes, wenn du ihr negatives Verhalten dir gegenüber mit Liebes-Diensten belohnst.

Du gibst ihr eher eine Chance zumindest teilweise zu erwachen, wenn du dir nicht alles gefallen lässt und ihr gegenüber – soweit sie dich schlecht behandelt – den Kontakt auf ein Minimum reduzierst. Wesentlich dabei ist, dass du frei von Emotionen behutsam auf deine innere Stimme horchst und so handelst, wie es deinem Herzen entsprichst.

Auf diese Weise fällt es dir in der weiteren Folge leichter deine Mutter zu akzeptieren wie sie ist und sie weiterhin von Herzen zu lieben.

Erkenne und! liebe dich selbst!

Lerne deine Mutter anzunehmen wie wir das Wetter annehmen müssen und dürfen, egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Lass deine Gedanken nicht um dein Mutter-Problem kreisen! Verlange nicht danach von deiner Mutter verstanden und geliebt zu werden! Erkenne dich selbst! Liebe dich selbst! – nicht dein Ego – sondern dein wahres göttliches Sein.

Lerne in dir selbst zu ruhen, stets präsent zu sein und deine eigenen Gedanken und Seelenregungen zu beobachten! Sei dir der Vergänglichkeit aller äußeren Geschehnisse in deinem kurzen Erdenleben bewusst und lenke daher deinen Fokus auf das Unvergängliche, Unbegrenzte, auf die ewige Glückseligkeit in dir!

Halte im Laufe des Tages immer wieder inne und kehre zurück in die wohltuende und befreiende Stille. Verbinde dich mit dem allumfassenden Sein – mit diesem Sein, das du bist!

Mit herzlichem Gruß, Bernd